Die Kunst der visuellen Animation: Sinn finden in einer Welt, die sich immer schneller dreht

In einer sich ständig verändernden Welt, die von künstlicher Intelligenz, Digitalisierung und einem immer schnelleren Tempo geprägt ist, erleben wir einen Verlust an Orientierung, Werten und manchmal auch an gesundem Menschenverstand. Der technologische Fortschritt hat zwar seine Vorteile, führt aber auch zu kognitiver Zerstreuung, sensorischer Verwirrung und emotionaler Kälte. Angesichts dieser Feststellung ist es dringend notwendig, bestimmte grundlegende Gleichgewichte wiederherzustellen: zwischen Beschleunigung und Entschleunigung, zwischen Leichtigkeit und Reflexion, zwischen Automatisierung und Beherrschung. Was, wenn der Schlüssel zu dieser Versöhnung in einer Rückkehr zu den Wurzeln, zu einfachen, menschlichen und sinnvollen Praktiken liegt?

Die visuelle Animation – im handwerklichen Sinne des Wortes – entspricht genau diesem Bedürfnis. Zeichnen, schreiben, kolorieren, Informationen auf einem Flipchart oder einem Tablet mit einem Stift strukturieren – all das bedeutet, beide Gehirnhälften zu aktivieren, unsere Hände und unseren Verstand einzusetzen, langsamer zu werden, um besser zu verankern. Es ist eine echte mentale Hygiene, eine Kunst des Lebens und der Weitergabe. 

Warum es grundlegend ist, das Schreiben von Hand wieder zu lernen.

Die Neurowissenschaften sind sich einig: Das Schreiben von Hand, insbesondere das Wiederholen von Buchstaben in der Schule, trägt aktiv zur motorischen und kognitiven Entwicklung von Kindern bei. Es ist kein Zufall, dass Länder wie Finnland, die technologisch sehr fortschrittlich sind, wieder mehr Wert auf die Schreibschrift legen. Durch die Wiederholung einfacher, aber anspruchsvoller Handgriffe verankern wir Wissen und bilden tiefe neuronale Verbindungen.

Heute werden wir mit endlosen PowerPoint-Präsentationen überschwemmt. Folien über Folien, Zahlen über Zahlen, Übergangseffekte in Hülle und Fülle… Der Sinn verwässert sich, die Aufmerksamkeit sinkt. Als Leader (CEO), Referent, Trainer und Katalysator habe ich mich vor über 20 Jahren für einen anderen Weg entschieden: das Zeichnen auf Flipcharts (vorab oder live gezeichnete Plakate). Ob bei Leadership-Trainings für kleine, mittlere oder große Unternehmen, vor dem Verwaltungsrat der Schweizerischen Post oder bei meinen Lehrtätigkeiten an Hochschulen wie dem EMBA-Programm Digital Leadership der HWZ (Hochschule für Wirtschaft Zürich) – das Feedback ist einstimmig: „Das ist erfrischend, einfach, wirkungsvoll, schön und relevant.“ „Das bringt es auf den Punkt.“ „Das macht Lust, weiterzugeben.“

Meine 10 goldenen Regeln für visuelle Moderation

  1. Stellen Sie die Höhe des Flipcharts so ein, dass Sie bequem arbeiten können.
  2. Verwenden Sie vorzugsweise weißes Papier oder drehen Sie bedruckte Blätter um.
  3. Verwenden Sie nachfüllbare Filzstifte: kleiner schwarzer, kleiner roter, dicker grauer.
  4. Zeichnen Sie alle Grundlinien mit dem kleinen schwarzen Filzstift.
  5. Für die Felder: Schreiben Sie zuerst den Text und zeichnen Sie dann das Feld mit vier nicht verbundenen Strichen.
  6. Jede Seite hat einen Titel mit einem Symbol oben links.
  7. Jede Seite ist mit einem dünnen Rahmen umrandet.
  8. Arbeiten Sie mit Schatten, um Tiefe zu schaffen:
    • 2D-Objekte: äusserer Schatten, versetzt, berührt die Konturen.
    • 3D-Objekte: innerer Schatten, berührt die Konturen.
    • Transparente Objekte: innere Reflexion.
  9. Verwenden Sie nur eine Komplementärfarbe (z. B. Rot für mein Unternehmen LP3 AG) mit schwarzem Hintergrund.
  10. Heben Sie die wichtigsten Elemente mit einem pastellfarbenen Hintergrund (in Kombination mit Ihrer Komplementärfarbe) in Bienenwachs hervor.



Links: Bild auf Flipchart (Modell LP3 Leader) und rechts: Bild auf iPad Pro (VUCA-Welt (volatil, unsicher, komplex und mehrdeutig))

Warum funktioniert diese Methode so gut?

Weil Bilder mehr sagen als Worte. Sie sind universell, einprägsam und emotional. Wenn ein Bild als schön empfunden wird, wird es zu einem Objekt, das man gerne wieder ansieht, teilt und weitergibt. Die Sorgfalt, mit der ein Bild gestaltet wird, ist ein Zeichen des Respekts gegenüber dem Betrachter. Es ist auch eine Möglichkeit, bewusst zu entschleunigen, sich zu zentrieren und Stress abzubauen. Beim Zeichnen reduziere ich den Lärm der Welt, um zum Kern meiner Botschaft vorzudringen.

Deshalb stelle ich für meine Kunden, Teilnehmer und/oder Studenten Notizbücher mit leeren Seiten zusammen, versorge sie mit Zeichenmaterial und „verpflichte“ sie zum Zeichnen. Ich gebe ihnen Zeit (etwa 10 Minuten), um das Flipchart in ihrem Notizbuch auf der rechten Seite nachzuzeichnen. Die linke Seite bleibt frei, damit sie später Ergänzungen vornehmen und/oder den Transfer in ihren beruflichen oder privaten Kontext übertragen können. Wenn sie die Zeichnung selbst anfertigen, ist die Verankerung noch stärker. Dies umso mehr, als sie einen Moment der Ruhe und Entschleunigung erlebt haben, in dem sie verschiedene Sinneskanäle genutzt haben und so einen anderen Zugang zur Botschaft gefunden haben.

Im Gegensatz zu PowerPoint, das zum Ausfüllen verleitet, erfordert die visuelle Animation Klarheit. Auf einem A1-Blatt ist kein Platz für Unnötiges. Das zwingt dazu, sich die richtigen Fragen zu stellen: Was ist meine Botschaft? Was ist die aussagekräftigste Metapher? Welche visuelle Struktur verankert die Idee? Diese Disziplin zwingt zu Einfachheit, Beherrschung und Präsenz.

Und das Beste daran: Dank der Anwendung „Office Lens“ können Ihre Flipcharts digitalisiert und in Ihre Tools für die Zusammenarbeit integriert werden: OneNote, Word, PowerPoint, PDF oder Bild. So wird eine Brücke zwischen Tradition und Modernität geschlagen.

Fazit: Zeichnen, um Sinn und Form in Einklang zu bringen

Visuelle Animation ist keine Kunst, die nur Künstlern vorbehalten ist. Sie ist eine wesentliche Kompetenz für alle Führungskräfte, Pädagogen und Kommunikatoren, die Eindruck hinterlassen wollen. In einer Welt, die mit Informationen überflutet ist, bedeutet die Rückkehr zur Schönheit des Strichs, zur kreativen Langsamkeit und zur visuellen Vermittlung einen Schritt in Richtung mehr Menschlichkeit. Es ist auch eine Möglichkeit, unsere Aufmerksamkeit, unser Denken und unsere Wirkung zu schärfen.

Wie wäre es, wenn wir morgen alle einen Filzstift, ein weißes Blatt Papier und etwas Zeit zum Zeichnen nehmen würden?

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